WEITES LAND, BREITES WASSER, GROSSES FELD

1995
Wolfram Scheffels Bilder von Worpswede

Ein später Blick: Noch einmal, als schon fast alles vorbei schien und den Weyerberg hinauf und hinüber nur noch Tagestouristen gingen, nicht aber mehr Maler, die etwas sahen, – und was sie gesehen hatten, war dies: GROSSER HIMMEL WEITES LAND BREITES WASSER GROSSES FELD! – kam doch noch einer daher, von dem ich glaube, dass er glaubte, dass dies, was er sah, nicht alles umsonst gesehen sein soll. Er malte dieses Jahr in Worpswede über den Himmel über Worpswede, auch für mich; gegen das Jahr 2000 hin und für mich wie zum ersten Mal. Zum Glück muss ich auf diesen Bildern, die mir etwas Großes zeigen, nicht auch noch die Tagestouristen sehen, wie sie nach Kaffee und Kuchen noch schnell zu Paulas Grab hinauf und nach dem Rechten sehen. Paula Modersohn-Becker war eine der Großen, die wirklich hier waren, und von denen ich weiß. Das ist lange her. Für den Maler gibt es keine Zeit: Er sieht nicht die Zeit, sondern das eigentlich Unsichtbare, das aber die Bedingung der Möglichkeit von Sehen ist: das Licht.

Nun muss ich aber eine kleine Pause machen und ein kleines Stoßgebet einfügen: Rette mich vor dem Blick des Kunstkritikers! Vor der Scheiße aus dem eigenen Maul bewahre mich, Herr!

Nicht nur der Himmel war zu sehen, als ich zum ersten Mal diese Bilder sah, ich weiß noch genau kaum vierzehn Tage sind es, dass Wolfram Scheffel diese „Sachen“ zum ersten Mal vor mich hinstellte. Das ist ja der Himmel von Worpswede! – rief ich aus. Und darunter: das Land unter diesem Himmel, das Wasser, das große, weite und breite: all dies. Es war (eine Begeisterung) wie am Meer. Gleich wollte ich eines dieser Bilder mitnehmen, hinaustragen. Doch als ich nach einem der kleineren Formate griff. Musste mir der Maler auf die Pfoten hauen, auf Deutsch gesagt, denn all dies wird noch für eine Ausstellung gebraucht. Wie ich mich nun darauf freue!

Die Klarheit und Eindeutigkeit dieser Bilder, ihrer Konturen: das kann nur einer, der in Algebra und Geometrie und in der Himmelskunde dazu eine Eins gehabt hat, nehme ich mal an. In der Farbkunde sowieso. Nur einer, der weiß, wo was hingehört, kann das so, behaupte ich. Es gibt ja so viele Maler, die saudumm sind, und außerdem nicht malen können, deren Statements ich nicht hören kann, und deren Bilder ich nicht sehen möchte; – hier haben wir einmal das Gegenteil: Voilá! – Amen.

(…)

Arnold Stadler

(Katalog Barkenhoff-Stipendium, 1995)